Die Grenzen des traditionellen Work-Life-Balance-Konzepts
Die traditionelle Vorstellung einer strikten Trennung zwischen Berufs- und Privatleben verliert in der modernen Arbeitswelt zunehmend an Relevanz. Führungspersönlichkeiten wie Janina Kugel, Hansi Flick und Philipp Depiereux praktizieren längst fortschrittlichere Konzepte, die auf Purpose, Authentizität und gegenseitige Wertschätzung setzen.
Das Konzept der Work-Life-Balance wurde ursprünglich in den USA als Antwort auf das Modell des pausenlos arbeitenden Managers entwickelt. Es beschreibt einen Zustand, in dem Menschen gleichermaßen Zeit und Wert auf ihr Berufsleben und ihr Privatleben legen können. Diese Idee klingt zunächst vernünftig und erstrebenswert – doch bei genauerer Betrachtung wird deutlich, warum dieses Modell den Anforderungen der heutigen Arbeitswelt nicht mehr gerecht wird.
Der Begriff "Work-Life-Balance" impliziert bereits eine problematische Dichotomie: Arbeit wird dem Leben gegenübergestellt, als ob Arbeit nicht Teil des Lebens wäre. Diese semantische Trennung suggeriert, dass Berufstätigkeit und Privatleben zwangsläufig konkurrierende Bereiche sein müssen. In einer Zeit, in der digitale Technologien die Grenzen zwischen Arbeitsplatz und Zuhause zunehmend verwischen, wird diese strikte Trennung jedoch immer unrealistischer.
Von der Balance zur Harmonie: Ein Perspektivwechsel
Interessanterweise hat sich auch Amazon-Gründer Jeff Bezos kritisch zum Begriff der Work-Life-Balance geäußert: "Ich mag den Begriff Work-Life-Balance nicht, ich würde eher von Work-Life-Harmony sprechen. Es ist wichtig, dass Harmonie zwischen Arbeit und Privatleben besteht. Wenn ich bei der Arbeit zufrieden bin, werde ich ein besserer Ehemann und Vater sein; wenn ich zu Hause zufrieden bin, werde ich ein besserer Mitarbeiter sein."
Diese Perspektive verdeutlicht einen wichtigen Wandel im Denken: Statt Arbeit und Privatleben als getrennte Sphären zu betrachten, die es auszubalancieren gilt, sollten wir nach einer harmonischen Integration beider Lebensbereiche streben.
Was Top-Leader stattdessen praktizieren
Purpose-Driven Leadership: Der Sinn als Antrieb
Ein moderner und zunehmend wichtiger Führungsansatz ist das Purpose-Driven Leadership – eine Form der Führung, die sich durch Sinnhaftigkeit auszeichnet. Führungskräfte, die diesen Ansatz verfolgen, richten ihre Entscheidungen und Handlungen an einem übergeordneten Zweck aus, der über rein wirtschaftliche Ziele hinausgeht.
Janina Kugel, ehemalige Personalvorständin von Siemens und laut Spiegel die "prominenteste deutsche Managerin", ist eine Verfechterin dieses Ansatzes. Sie glaubt daran, Menschen nicht nur für spezifische Aufgaben zu positionieren, sondern ihnen zu ermöglichen, ihr ganzes Selbst in die Arbeit einzubringen.
"Purpose Driven Leadership kann zu einem höheren Employee Engagement, einer stärkeren Identifikation, einer längerfristigen Bindung ans Unternehmen, einer hohen Bereitschaft zur Weiterentwicklung und einer verbesserten Kommunikation durch mehr Klarheit führen", bestätigen Experten. Studien belegen sogar, dass Purpose-orientierte Führungskräfte:
- 63 Prozent effektiver sind
- 70 Prozent zufriedenere Mitarbeitende haben
- Mit Teams arbeiten, die 56 Prozent engagierter sind
- Mitarbeitende haben, die mit 100 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit im Unternehmen verbleiben
Die dynamische Balance: Zwischen Stabilität und Wandel
Erfolgreiche Führungskräfte verstehen, dass sie kontinuierlich zwischen verschiedenen Polen balancieren müssen. Ähnlich wie in der Musik, wo ein Stück durch das ausgewogene Verhältnis zwischen Noten und Pausen an Qualität gewinnt, oder im Sport, wo Entwicklung zwischen Anspannung und Entspannung stattfindet, müssen Führungskräfte zwischen Stabilität und Dynamik navigieren.
Es gibt drei wichtige Aspekte dieser Balance:
- Zwischen den Polen liegt ein Kontinuum – es geht nicht um Entweder-oder, sondern um ein flexibles Navigieren.
- Das Verharren auf einem Pol bringt die Organisation in Gefahr.
- Radikale Veränderungen überfordern oft die Organisation – Menschen brauchen mehr Zeit für Wandel als Strukturen.
Zeit für Führung: Janina Kugels Praxistipp
Janina Kugel betont einen oft übersehenen Aspekt erfolgreicher Führung: "Wenn man eine gute Führungskraft sein will, sollte darauf geachtet werden, auch Zeit für Führung zu haben. Das Statussymbol, das in vielen Unternehmen vorherrscht, einen prall gefüllten Terminkalender zu haben, ist dafür eher hinderlich."
Sie empfiehlt, dass der Zeitanteil für Führungsaufgaben mit der Hierarchieebene steigen sollte:
- Teamleiter: mindestens 20 Prozent ihrer Zeit für Führung
- Vorstandsebene: 80 Prozent ihrer Zeit für Führung
Diese Prioritätensetzung steht im direkten Gegensatz zur weit verbreiteten "Beschäftigungsfalle", in der volle Kalender als Statussymbol gelten.
Work-Life-Blending: Eine moderne Alternative?
Als Alternative zur traditionellen Work-Life-Balance wird zunehmend das Konzept des Work-Life-Blendings diskutiert – eine Verschmelzung von Arbeit und Freizeit. Befürworter sehen darin eine notwendige und sinnvolle Weiterentwicklung: Die strikte Trennung sei ohnehin nicht mehr möglich und lediglich ein frommer Wunsch jenseits aller Realität.
Doch auch hier ist Vorsicht geboten: Work-Life-Blending darf nicht zum "Dauererreichbarkeits-Diktat" verkommen. Die entscheidende Frage lautet: "Was sind wir bereit, für Produktivität zu opfern?"
Balance der Führungskompetenzen: Fachlich und personell
Eine weitere wichtige Balance, die moderne Führungskräfte meistern müssen, ist jene zwischen fachlicher und personeller Führung. "Die Balance zwischen fachlicher und personeller Führung ist die Grundlage für den langfristigen Erfolg von Teams und Organisationen, denn es braucht beides", erklären Experten.
Während fachliche Führung für effiziente Zielerreichung und strukturierte Arbeitsabläufe sorgt, richtet personelle Führung den Blick auf die Menschen im Team:
- Sie fördert Motivation
- Steigert die Zufriedenheit
- Unterstützt Kreativität
- Ermöglicht persönliche Entwicklung
- Stärkt Resilienz
Studien zeigen, dass Teams, deren Mitglieder sich gefördert und wertgeschätzt fühlen, nicht nur engagierter sind, sondern auch nachhaltiger bessere Ergebnisse erzielen.
Praxistipps für moderne Führungskräfte
Basierend auf den Erkenntnissen von Top-Führungspersönlichkeiten wie Janina Kugel, Hansi Flick und Philipp Depiereux lassen sich folgende Praxistipps für moderne Führung ableiten:
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Finde Deinen Purpose: Identifiziere, wofür Du und Dein Team stehen und wie dies mit dem übergeordneten Zweck Deiner Organisation zusammenhängt.
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Schaffe flexible Arbeitsstrukturen: Ermögliche Deinen Mitarbeitenden echte Flexibilität, die über oberflächliche Home-Office-Regelungen hinausgeht.
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Widme Zeit für Führung: Reserviere bewusst Zeit in Deinem Kalender für Führungsaufgaben – je höher Deine Position, desto mehr Zeit solltest Du dafür einplanen.
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Balanciere fachliche und personelle Führung: Investiere sowohl in die fachliche Entwicklung als auch in die zwischenmenschlichen Aspekte Deiner Führungsrolle.
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Denke in Harmonie statt Balance: Strebe nach einer harmonischen Integration von Beruflichem und Privatem statt nach einer strikten Trennung.
Fazit: Von der Work-Life-Balance zur Leadership Excellence
Die traditionelle Work-Life-Balance hat ausgedient – nicht weil Balance unwichtig wäre, sondern weil das Konzept zu kurz greift. Moderne Führungskräfte streben nach einem ganzheitlicheren Ansatz, der Arbeit und Leben nicht als Gegensätze betrachtet, sondern als harmonisch integrierte Bereiche eines erfüllten Lebens.
Purpose-Driven Leadership, das Balancieren zwischen Stabilität und Dynamik sowie zwischen fachlicher und personeller Führung, und ein authentischer Führungsstil sind die Werkzeuge, mit denen Top-Leader wie Janina Kugel, Hansi Flick und Philipp Depiereux nachhaltige Erfolge erzielen. Sie verstehen, dass wahre Führungsexzellenz nicht in der Selbstaufopferung liegt, sondern in der Fähigkeit, ein sinnerfülltes Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sowohl sie selbst als auch ihre Mitarbeitenden gedeihen können.
Die Zukunft gehört Führungskräften, die nicht nur hart arbeiten, sondern auch klug führen – mit Purpose, Mut und einem tiefen Verständnis für die Bedürfnisse ihrer Teams. Denn letztendlich ist es nicht die perfekte Balance zwischen Arbeit und Leben, die uns erfüllt, sondern die Sinnhaftigkeit in allem, was wir tun.
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